Herwig Mitteregger

Neues Album von Herwig MittereggerSol Mayor

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Mitteregger als Musik-Produzent ist dafür bekannt, schier endlos an Songs herumzubasteln, Musiker solange ihren Take spielen zu lassen, bis sie ihn rückwärts können und ihnen die Finger bluten, Sängerinnen in den Wahnsinn zu treiben, und den Assistenten aus dem Studio zu jagen mit der Aufgabe, die einzig wahre Kaffeemaschine zu besorgen, was dem armen Burschen nie gelingen mag. Vertreter von Schallplattenfirmen nervte er mit kurzen Kommentaren, wie warum?, wieso?, ach ja?, bis sie entnervt wieder in ihren Flieger stiegen. Seit Mitteregger sein eigener Plattenchef ist, »um an der Wertschöpfungskette größtmöglich beteiligt zu sein«, wie er grinsend feststellt, ist er nur noch rabiater geworden.

Woher die Ideen für seine Songs kommen weiß Mitteregger nicht. »Sie kommen angeflogen. Meistens im frühen Morgengrauen. Wenn ich aufstehe habe ich den fertigen Song oft schon im Kopf. Ich muss ihn nur noch aufnehmen. Das ist dann der eigentliche Kampf. Es ist wie das Malen eines Bildes, die Farben müssen halt stimmen und bis alles passt, dauerts eben.«

Seine Themen sind vielfältig: Vom Nicht-Erreichen der Lebensziele, die man sich gesetzt hat (Schmetterling), von der Sehnsucht nach dem Sommerwind, vom Durchhalten (Hellster Stern), vom Blues, der einen voll erwischt (Sieben Gazellen), bis zur melancholischen Betrachtung einer langen Liebe, die noch immer glüht (Alles ist gut). Aber was der Crossover-Chansonier in vielen Songs kultiviert (Für Immer, Winnetou, Kann ja gar nicht sein, Kammamasehn, Ich erleb nix mehr), ist die ironische Sichtweise auf sich selbst und die Welt um ihn herum. »Wenn man den ganzen Tag mit sich selber kämpft, lernt man sich kennen. Ich bin ja froh, dass ich mich vom West-Berliner Endzeit-Zyniker, der ich zu Spliff-Tagen war, immerhin zum Skeptischen Optimisten weiter entwickelt habe. Das macht den Tag etwas einfacher.«

Sol Mayor steht für ältere, größere, höhere Sonne. Kann sein, dass Mitteregger damit auf sein Alter und die damit möglicherweise erlernte Weisheit anspielt, kann aber auch sein, dass er einfach nur eine Tonart damit meint: G-Dur. Das ist auf jeden Fall die meistverwendete Tonart der 15 Stücke auf der Scheibe und Mittereggers erklärte Lieblingstonart auf der Gitarre.

Rezensionen

»Auch sein neues Werk Sol Mayor ist da keine Ausnahme, gleich zu Beginn fühlt man sich schnell geborgen, wenn er seinen lakonischen Gesang mit schrammelnden Gitarren begleitet, entdeckt bei ›Für immer‹, wie weit er mit seiner Band einstmals aus dem Meer der Neuen Deutschen Welle herausragte, entdeckt bei ›Hellster Stern‹, wie nah sich die Stimmen von Mitteregger und Rio Reiser sind.«

(Good Times, Februar / März 2017)

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